Kitschige Fotos machen?

Wenn ich an kitschige Fotos denke, fallen mir spontan Sonnenuntergänge, idyllischer Palmenstrand und romantische Hochzeitsfotos ein. Und natürlich nicht zu vergessen drollige Katzenfotos oder anderen Tierbabys, Einhorn-Gedöns und in neuester Zeit auch immer öfter zu sehen: Fotos von Neugeborenen, die ganz putzig in übergroßen Socken stecken oder sonst irgendwie ungewöhnlich hin- ähm…hergerichtet wurden. Bei einer Flut von kitschigen Fotos dieser Art kann ich ein Würgen kaum unterdrücken. Trotzdem möchte ich betonen, dass ich auch nicht völlig frei von Kitsch bin und alles mal wieder auf die richtige Dosierung ankommt.

 

 

Was ist überhaupt Kitsch?

Kitsch heißt laut Wikipedia für einen aus Sicht des Betrachters minderwertigen Gefühlsausdruck. In Gegensatz gebracht zu einer künstlerischen Bemühung um das Wahre oder das Schöne, werten Kritiker einen zu einfachen Weg, Gefühle auszudrücken, als sentimental oder kitschig.(…) Kitsch wiederholt, was dem Betrachter bereits geläufig ist.

Kitsch ist nach meiner Interpretation eine Übertreibung von Reizen, die uns irgendwie alle in niedriger Dosis berühren würden – aber überzeichnet eine Überdrüssigkeit bei uns hervorrufen. Grundlage ist unser Wunsch und Streben nach der heilen Welt, in die wir uns manchmal hineinträumen, z.B. die Vorstellung einer idealen Kindheit, einer unberührten und atemraubenden Natur – obwohl die Realität oftmals ganz anders aussieht.

 

 

Kitsch in der Fotografie

Ich wage mal zu behaupten, dass niemand ganz vor Kitsch gefeit ist. Selbst in vielen Männern, die Kitsch weit von sich weisen, findet sich ein Körnchen idealer Weltsicht, die sich meist nur ganz anders äußert als in grinsenden Gartenzwergen im Vorgarten. Karl May mit seiner Winnetou-Figur beispielsweise liefert gerade der Männerwelt mit dem Tod des Apachenhäuptlings eine kitschverdächtige Sentimentalität.

Wenn ich an kitschige Fotos denke, denke ich auch an Klassiker, wie z.B. die Golden Gate Bridge im Nebel, oder den mittig im Bild positionierten Steg im wellenlosen Wasser oder inzwischen auch schon die vielgesehene Hand, die die heiß dampfende Tasse umfasst. Also eher Klischees, die nicht unbedingt eine Abscheu in uns hervorrufen, aber irgendwie signalisieren: „Ach, das schon wieder“.

 

 

Als sich bei einem Ausflug die Gelegenheit bot, eine Burg im Nebel zu fotografieren und dazu noch einen genialen Sonnenuntergang, bin ich genau diesem Klischee gefolgt und habe die Gelegenheit ergriffen, mal wieder so richtig kitschige Fotos zu machen. Und es hat so gut getan. :-)

 

 

Hier die Anfahrt mit dem wunderschönen Blick auf die Burg Hohenzollern.

 

 

Dieser Herr hat wohl die schönste Aussicht in ganz Baden-Württemberg – und das tagtäglich zwei Mal…

 

 

Seufz – so schön.

 

(6) Kommentare

  1. immer den Kitsch im Nacken!

    Heißt Kitsch, man darf sich am schönen Sonnenuntergang erfreuen aber kein Bild davon machen?
    oder heißt Kitsch man darf das Bild vom Sonnenuntergang machen, muss es aber so lassen, wie es aus der Kamera kommt?

    Also macht die Übertreibung das schöne Bild zum Kitschbild?

    • Danke für deine Frage, die vollkommen berechtigt ist. Was ich in diesem Artikel mit „Kitsch“ betitele, hat nichts mit einer nachträglichen Bildbearbeitung zu tun, also nichts mit einer eventuellen Verstärkung der Effekte. Was ich damit meine ist, dass speziell Fotomotive mit z.B. „Sonnenuntergang“ so inflationär im Netz gezeigt werden, dass ich oder „man“ ihnen überdrüssig werde/wird. Die Szenen sind in der Natur weiterhin schön anzusehen, trotzdem habe ich inzwischen eine Abwehr entwickelt, diese Szenen mit der Kamera einzufangen und sie dann auch zu zeigen. Eben weil es sie massenweise gibt und sie austauschbar wirken, obwohl jede für sich wahrscheinlich einzigartig war. Deine Stimmungs-Fotos zeigen indessen auch ungewöhnliche Szenerien, z.B. in Kombination mit Windrädern, Industrieschornsteinen oder auch in der Natur mit ungewöhnlichen Farb- oder Struktureffekten. Das wirkt auf mich dadurch weniger „ausgelutscht“ und hat durchaus seine Daseinsberechtigung! ;-)

  2. Hallo,
    leider habe ich heute erst wieder auf Deine Website gefunden. Besten Dank für Deine wichtige Meinung zum Thema Kitsch. Das hat mir geholfen.

    Ich lebe am Abgrund. Da ich meistens zur blauen und goldenen Stunde fotografiere und meine ganzen Reisen so plane, ist die Angst vor der Kitschfalle immer mit im Hinterkopf. In den letzten 12 Monaten habe ich eine mehrmonatige Reise nach Lappland vorbereitet, die im Januar beginnen soll und bis zum Sommer dauern soll. Das wird also eine harte Zeit.

    An Unterstützung bin ich interessiert

    • Das wird sicher gigantisch und ich wünsch dir allzeit gutes Licht!

  3. Die Reise hat mittlerweile stattgefunden allerdings nur von Februar bis Mai.
    Die Bilder sind auf https://fotokunsthof.de Lappland2022 zu sehen.
    Das sind allerdings die Bilder, die ich unterwegs im Auto bearbeitet habe.
    Eine Überarbeitung ist im Gange und ein Buch in Vorbereitung.
    Deine Meinung zum Kitschfaktor interessiert mich

    Johann

Kommentare sind geschlossen.